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Fotografische Skulpturen mit Licht modelliert
Unsere erste Begegnung war zufällig. Tiziana De Silvestro war damals als Reportagefotografin unterwegs. Ihrer Beständigkeit und Konstanz, mit der sie Menschen entgegenkommt, ist es zu verdanken, dass sich unsere Wege seither immer wieder gekreuzt haben. Ihr Fotoprojekt, an dem sie seit nunmehr vier Jahren arbeitet und das in diesem Buch erstmals vorgestellt wird, ist nur ein Beispiel dafür, wie konsequent Tiziana De Silvestro ihren Weg geht. In diesen sehr persönlichen Aufnahmen ist sie dem Mann auf den Leib gerückt, ohne in Voyeurismus abzufallen.
Ihre Bilder bewahren eine Aura der Distanz und Unberührbarkeit. Auf der Suche nach der idealen, zeitlosen Form, wählt Tiziana De Silvestro enge Bildausschnitte und reduziert den Körper auf ein Fragment. Körperdetails und ausgesprochen männliche Attribute spielen eine wichtige Rolle. Körperhaare, Muskeln, ausgeprägte Venen, eine grobe Hautstruktur sind Merkmale, die sie mit ihrer Kunst-Fotografie herausspürt und mit Licht modelliert.
Ihre Bilder konfrontiert Tiziana De Silvestro mit ihren fotografischen Fragmenten von Figuren und Statuen aus der Kunstgeschichte vergangener Zeiten und es ist, als erwecke sie diese für einen flüchtigen Augenblick zu neuem Leben. Ihr Gespür für Beleuchtung, ihr künstlerisches Empfinden für die Wirkung des Lichts und wie sie ihre Modelle in Szene setzt, eröffnen das Spiel zwischen Vergänglichkeit und Konservierung, Experiment und Tradition, Zeigen und Verschweigen und bewahren die höchst formalisierten Bildkompositionen davor, sich in Technik und Aesthetik zu erschöpfen. Die Konfrontation der beiden Welten offenbart deren Reichtum und verstärkt die erzählerische Fülle jedes einzelnen Bildes.
Tiziana De Silvestro ist stark von der Malerei und Bildhauerei inspiriert. Die Fotografle bleibt aber ihr Ausdrucksmittel, nicht zuletzt deshalb, weil sie den Schleier der malerischen und bildhauerischen Uberformung entfernt und für sich die Wirklichkeit des Abgebildeten in Anspruch nimmt. Doch was ist wirklich? Ist es der leblose Stein, das einstmals lebendige Abbild oder die Fotografie, die die Strukturen und in Stein erstarrte Gestalt mit Leben auflädt, zum Leben erweckt? Diese präzise und offene Bildiormulierung ist es, was die Kunst letztlich ausmacht.
Tiziana De Silvestro ist eine Perfektionistin. Eine mit viel Geduid und Ausdauer. Eine auch die ihren Weg konsequent verfolgt. "Seinen persönlichen Weg zu gehen, ist nicht immer leicht", gesteht sie, "das ist keine abstrakte intellektuelle Sache, keine kühle Angelegenheit. Viele Zweifel kommen da an den Tag." So erstaunt es nicht, dass sie sich oft und lange im Labor aufhält, bis sich in ihren Bildern diese Sinalichkeit und Qualität offenbaren.
Beatrice Schmidt, Kultur-Journalistin, Biel |
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